Ohrwürmer: Schädlich oder nützlich?

Die langen, schmalen Ohrwürmer, auch Ohrkriecher genannt, wirken auf viele Menschen beängstigend, insbesondere durch ihre Zangen am Hinterleib. Außerdem hält sich hartnäckig das Gerücht, der Ohrwurm würde nachts in den Gehörgang kriechen – immerhin sagt das auch der Name. Doch stimmt das wirklich? Und wie sieht es eigentlich mit dem Ohrwurm in Hinblick auf Nützling oder Schädling aus? 

Ohwurm auf Zweig

Woher stammt die Bezeichnung „Ohrwurm“? 

Dass Ohrwürmer ins Ohr kriechen sollen, stammt aus dem Mittelalter. Damals glaubte man, die Tiere würden nachts ins Ohr krabbeln, mit den Zangen das Trommelfell beschädigen und Eier in den Gehörgang legen. Zwar ist es sehr wahrscheinlich, dass sich Ohrwürmer im Mittelalter ganz gern in menschlichen Betten verkrochen haben, aber nur, weil es damals viel schwieriger war, die Feuchtigkeit aus dem Haus zu bekommen und sich die Tiere unter diesen Bedingungen sehr wohl gefühlt haben.  

Übrigens wurden die Ohrwürmer sogar als Medizin eingesetzt: Man trocknete die Insekten, zermahlte sie und streute das Pulver bei Ohrleiden ins Ohr, z.B. bei Schwerhörigkeit oder Ohrenerkrankungen.  

Auch wenn die Insekten für Menschen völlig harmlos sind, hält sich das Gerücht des ins Ohr kriechenden und dort Schaden anrichtenden Tieres bis heute recht hartnäckig. Dabei sind Ohrwürmer gar nicht in der Lage, mit ihren Zangen so stark zuzukneifen. Außerdem kneifen die Tiere höchstens, wenn sie bedrängt werden und das Kneifen an sich merkt man auch kaum.  

Eine eigene Ordnung in der Insektenwelt 

Innerhalb der Insekten bilden die Ohrwürmer eine eigene Ordnung mit der lateinischen Bezeichnung Dermaptera. Eigentlich sind Ohrwürmer Fluginsekten, sie meisten bewegen sich aber laufend fort. Bei einigen, wie dem in Deutschland am häufigsten vorkommenden Gemeinen Ohrwurm (Forficula auricularia), sind die Flügel sogar so weit zurückgebildet, dass er kaum noch fliegen kann.  

 

Merkmale des Gemeinen Ohrwurms: 

  • weitgehend flugunfähig 
  • zwischen 12 und 17 mm lang 
  • braun-rötlich, teilweise komplett schwarz 
  • scharfe Mundwerkzeuge
  • spitze Zangen im Hinterleib

In Europa gibt es übrigens nur etwa 30 der insgesamt über 1.000 Ohrwürmer-Arten. Die meisten sind in den Tropen zu finden und sind deutlich größere als die Exemplare hierzulande. Zum Vergleich: In Australien gibt es Ohrwürmer mit bis zu 6,5 cm Länge.  

Die Zangen am Hinterleib dienen: 

  • der Abwehr von Angreifern 
  • dem Beutefang 
  • dem Festhalten des Paarungspartners

Lebensweise des Ohrwurms 

Der Ohrwurm gehört zu den nachtaktiven Insekten, tagsüber verkriecht er sich in dunklen Verstecken, z.B. unter Rinde, im Laub, in Ritzen oder Spalten. An diesen Orten legt das Ohrwurm-Weibchen im Frühjahr auch seine Eier ab (ca. 50 bis 60 Stück). Im Gegensatz zu den meisten anderen Insekten widmen sich die Tiere einer intensiven Brutpflege. Dazu gehören die regelmäßige Reinigung der Eier und das Aussortieren von Eiern, auf denen sich Pilze gebildet haben. Außerdem beschützen Ohrwürmer ihren Nachwuchs vor Fressfeinden. 

Im Frühsommer verlassen die jungen Ohrkriecher den Geburtsort und legen bis zum Herbst selbst Eier. Die daraus schlüpfende Generation überwintert – im Boden, unter Laub oder Reisig oder in hohlen Pflanzenstängeln.  

Ohrenkneifer halten sich eigentlich von Haus und Wohnung fern und verirren sich nur gelegentlich hier her. Auf dem Balkon, im Gartenhaus, im Schuppen oder in der Garage sind sie aber öfters anzutreffen, wenn sie sich diese Orte als Tagesquartiere ausgewählt haben. 

Was fressen Ohrwürmer? 

Sowohl pflanzliche als auch tierische Kost steht auf dem Speiseplan eines Ohrwurms. Die Tiere bevorzugen vor allem Blattläuse und einige andere Gartenschädlinge. Aber auch Blüten- und Staubblätter einiger Pflanzen werden gern gefressen, z.B. von Trompetenblume, Clematis oder Dahlien. Ist die Hauptnahrung knapp, ernährt sich der Ohrwurm auch von Aas oder abgestorbenen Pflanzenteilen. 

Der Ohrwurm kann Nützling und Schädling sein 

Als Schädlingsvertilger gehören Ohrwürmer eindeutig zu den Nützlingen. So machen sich die Insekten im Garten nicht nur über Blattläuse her, sondern schnappen sich auch Milben, Gespinstmotten und die Eier von Apfelwicklern. 

Als Schädling gilt der Ohrwurm, weil er auch gern an Obst und Blüten frisst, was vor allem im erwerbsmäßigen Anbau zum Problem werden kann. Dabei bevorzugt das Insekt weiche Früchte wie Trauben, Pfirsiche oder Pflaumen. Werden andere Früchte befallen, dann handelt es sich meist um faulige oder anderweitig vorgeschädigte Exemplare, denn die Tiere sind trotz ihrer Zangen gar nicht in der Lage, eine harte Fruchtschale zu durchdringen.  

In warmen trockenen Jahren vermehren sich die Ohrwürmer sehr stark und können damit für den Obst- und Weinanbau problematisch werden. Größere Schäden durch die Tiere sind bisher jedoch nicht bekannt.  

Im Garten überwiegt eindeutig der Nutzen des Ohrwurms 

Wer einen Garten hat und dort Ohrwürmer entdeckt, kann sich glücklich schätzen, denn hier überwiegen eindeutig die Eigenschaften als Nützling. Es ist daher sogar empfehlenswert, dem Ohrwurm Hilfestellung bei der Ansiedlung zu geben, z.B. mit umgedrehten Tontöpfen, die Sie locker mit Holzwolle oder Stroh befüllen. Die Öffnung kann zusätzlich mit Hasendraht bespannt werden, damit die Füllung nicht herausfällt. Dort können sich die Tiere tagsüber verkriechen. Hängen Sie die Töpfe im Baum auf oder stecken Sie sie auf einen Stab.  

Wer die Tiere gezielt als Schädlingsbekämpfer einsetzen möchten, z.B. am Apfelbaum gegen den Apfelwickler, sollte die Töpfe im zeitigen Frühjahr in der Nähe der typischen Überwinterungsquartiere platzieren und ab ca. Mitte Juni in den Obstbaum hängen. Beachten Sie dabei, dass die Töpfe Kontakt zum Baum haben und nicht frei hängen, denn so haben es die Tiere leichter, den Unterschlupf zu erreichen bzw. ihn zu verlassen.  

Blumentopf-Behausung auch zum Vertreiben der Ohrkneifer nutzbar 

Wenn Ohrwürmer in großen Mengen auftreten, können sie auch schon mal zur Plage werden, was aber relativ selten vorkommt. In dem Fall hilft die Tontopf-Behausung ebenfalls, denn damit können Sie die Ohrkneifer umsiedeln. Haben die Tiere das Tagesquartier angenommen, können Sie die Ohrwürmer einfach an einen anderen Ort bringen.  

Übrigens: In einem naturnah gestalteten Garten, in dem keine Chemikalien zum Einsatz kommen, herrscht ein Gleichgewicht zwischen Nützlingen und Schädlingen. In solch einem Garten wird der Ohrwurm auch keinen Schaden anrichten.  

 

 

Bildquelle: Adobe Stock – Henri Koskinen

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